Pressemitteilung

IG Metall: Presse

31.03.2021 M+E-Tarifeinigung im Südwesten: Beschäftigung und Zukunft gesichert, Angriffe der Arbeitgeber abgewehrt

  • Zukunftsweisende Lösungen zu allen Forderungen der IG Metall Baden-Württemberg
  • Für dual Studierende der DHBW gelten erstmals Tarifregelungen
  • Fast 223.000 Warnstreikende haben Abschluss erst ermöglicht

Stuttgart. Nach dem Pilotabschluss in Nordrhein-Westfalen gibt es seit dem späten Dienstagabend auch ein Ergebnis für die Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg. Dem ging eine 8-stündige 6. Verhandlung der Tarifvertragsparteien im Südwesten voraus, in der es insbesondere um die zahlreichen Sonderthemen in Baden-Württemberg ging. Demnach konnte der massive Angriff der Arbeitgeber auf tarifliche Standards abgewehrt werden.

Die rund eine Million Beschäftigten im Land erhalten ebenfalls die in NRW vereinbarte "Coronaprämie" von 500 Euro sowie die neu eingeführte tarifliche Sonderzahlung, die für individuelle Entgeltsteigerungen oder Arbeitszeitverkürzung mit Teilentgeltausgleich verwendet werden kann. Für die Themen Beschäftigungssicherung, Zukunftstarifverträge sowie Perspektiven für Auszubildende und dual Studierende wurden eigene und zum Teil weitergehende Regelungen gefunden. Dual Studierende fallen erstmals unter die Tarifbindung.

Roman Zitzelsberger, Verhandlungsführer und IG Metall-Bezirksleiter: "Der Arbeitgeberverband Südwestmetall hat in dieser Tarifrunde auf massive Kostensenkungen gedrängt und wollte langjährige Errungenschaften wie tarifliche Pausen und Schichtzuschläge abschaffen sowie die Alterssicherung einschränken. Diesen Angriff haben wir erfolgreich abgewehrt und darüber hinaus für alle unsere Themen zukunftsweisende Lösungen gefunden. Mit den Regelungen für Arbeitszeitabsenkung mit Teilentgeltausgleich, für Zukunftstarifverträge und Verbesserungen für Auszubildende und dual Studierende haben wir die Zukunft entscheidend im Sinne der Beschäftigten mitgestaltet."

Beim Thema Entgelt hätte sich die IG Metall auch eher eine Erhöhung der monatlichen Entgelte vorstellen können, die dynamische Erhöhung des Jahreseinkommens über die neue Sonderzahlung Trafobaustein ermöglicht aber auch eine Verwendung als Teilentgeltausgleich bei Arbeitszeitabsenkung. Zudem gebe die Laufzeit bis Ende September 2022 die Möglichkeit, im kommenden Jahr bei den Löhnen, Gehältern und Ausbildungsvergütungen nachzujustieren, so Zitzelsberger.

Er betont: "Mit dem neuen jährlichen Trafobaustein und dem Einstieg in Zukunftstarifverträge ist es gelungen, Lösungen für die Bewältigung der Transformation zu finden und Beschäftigung zu sichern. Das war das wichtigste Ziel dieser Tarifrunde. Daneben haben wir mit der Einbeziehung der Studierenden an der DHBW in den Manteltarifvertrag Ausbildung die jahrzehntlange Blockadehaltung der Arbeitgeber gegenüber dieser Ausbildungsform gebrochen und auf einen Schlag mindestens 10.000 junge Menschen in die Tarifbindung gebracht! Darauf können wir in den kommenden Tarifrunden aufbauen."

Möglich wurde der Abschluss erst durch den enormen Druck der Beschäftigten. Unter Pandemiebedingungen - mit Maske und Abstand - haben in den vergangenen vier Wochen knapp 223.000 Metallerinnen und Metaller die Forderungen der IG Metall mit Warnstreiks, Frühschluss-Aktionen, Kundgebungen, Demozügen, Menschenketten und Mobilitätskorsos unterstützt. An Aktionen vor Ablauf der Friedenspflicht hatten sich im Februar bereits 89.650 Kolleginnen und Kollegen beteiligt. "Dafür mein herzlicher Dank, ohne dieses große Engagement hätten sich die Arbeitgeber nicht bewegt", so Zitzelsberger.

Der Tarifabschluss in Baden-Württemberg im Detail:

Entgelt:

  • "Corona-Prämie" von 500 Euro im Juni 2021, Azubis erhalten 300 Euro
  • Jährliche neue Sonderzahlung (sogenannter Trafobaustein) von 18,4 Prozent eines Monatsentgelts im Februar 2022 sowie 27,6 Prozent dauerhaft ab Februar 2023 (27,6 Prozent eines Monatsentgelts auf 12 Monate gerechnet entsprechen einem monatlichen Entgeltzuwachs von 2,3 Prozent)

Beschäftigungssicherung:

  • Um Kündigungen zu vermeiden und Beschäftigung zu sichern, können die Betriebsparteien in Unternehmen mit strukturellen Problemen durch Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung die Arbeitszeit einvernehmlich verkürzen. Zur Kompensation des Entgeltausfalls kann die neue Sonderzahlung - der sogenannte Trafobaustein -, als Teilentgeltausgleich herangezogen werden.
  • Der Trafobaustein kann immer und komplett ausgezahlt werden, wenn er nicht für Teilentgeltausgleich genutzt wird. Dann fließt die erste Zahlung im Februar 2022.
  • Bei einer Arbeitszeitabsenkung (bis zu 28 Stunden ohne Begrenzung der Dauer) gibt es drei Möglichkeiten zur Anwendung: 1. Alle Beschäftigten eines Betriebs tragen solidarisch mit einem Teil ihres Trafobausteins dazu bei, die Arbeitszeit-Absenkung von betroffenen Beschäftigten finanziell abzufedern. 2. Jeder Beschäftigte finanziert mit seinem Trafobaustein teilweise oder ganz seine eigene Arbeitszeitabsenkung. In diesem Fall kann der einzelne Beschäftigte seine Entgelteinbußen individuell weiter durch die Einbringung von Sonderzahlungen verringern (alle Sonderzahlungen mit Ausnahme T-Zug).

Zukunftstarifverträge (Kornwestheimer Vereinbarung):

  • Neben den bisherigen Pforzheim-Vereinbarungen gibt es künftig im Tarifvertrag auch die Möglichkeit, Zukunftstarifverträge zu vereinbaren (Kornwestheimer Vereinbarung)
  • Diese sollen sich wesentlich beschäftigen mit der Umsetzung zuvor beratener Zukunftsperspektiven im Betrieb. Dazu gehören die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit, der Innovationsfähigkeit, der Investitionsbedingungen, die Absicherung von Beschäftigung sowie die Qualifizierung der Belegschaften.
  • Auf Konfliktlösungsmechanismen wird bewusst verzichtet, wichtig ist die partnerschaftliche Umsetzung der Betriebsparteien.

Perspektiven für Auszubildende und dual Studierende:

  • Es gibt einen neuen Manteltarifvertrag Ausbildung (MTV-A), der die früheren 3 Regelwerke vereint und modernisiert
  • Für Studierende an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) gelten ab 1. April 2021 erstmals die Tarifverträge. Damit gelten für sie u.a. Regelungen zu Vergütung, Sonderzahlungen, Vermögenswirksamen Leistungen, Arbeitstagen, etc. (ausgenommen: der neue Trafobaustein)
  • Dual Studierende haben 25 bis 30 Tage Urlaubsanspruch
  • Die Lehr- und Lernmittel müssen zeitgemäß sein und dem technischen Standard entsprechen. Die Kosten dafür tragen die Arbeitgeber.

Weitere Vereinbarungen:

Daneben haben die Tarifvertragspartner noch eine Reihe weiterer Vereinbarungen getroffen. Dazu gehören:

  • Eine veränderte Durchschnittsberechnung bei den Leistungsentgelten, die Betrieben hilft, Kosten zu senken, ohne dass Beschäftigte Geld verlieren.
  • Eine vereinfachte Betrachtung des Arbeitszeitvolumens und Zusammenführung der bisherigen sieben Quotenwelten in den Betrieben. Die Möglichkeiten aus dem TR-Abschluss 2018, für Beschäftigte die Arbeitszeit auf bis zu 28 Wochenstunden abzusenken und die Mitbestimmung des Betriebsrats beim Thema Arbeitszeiten, bleiben bestehen.
  • Per freiwilliger Betriebsvereinbarung können die Betriebsparteien die Sonderzahlungen (Weihnachts- und Urlaubsgeld) um 50 Prozent erhöhen oder absenken. Voraussetzung dafür ist, dass bestimmte Kennzahlen erfüllt sind und die Tarifvertragsparteien nicht widersprechen. Wird diese Variabilisierung vereinbart, muss Beschäftigungssicherung gewährt werden.
  • Über die weitere Modernisierung und Überarbeitung aller Tarifverträge wurde eine Gesprächsverpflichtung abgeschlossen.

Letzte Änderung: 31.03.2021