Ökologische und verträgliche Mobilität
Anlässlich der aktuellen Proteste gegen Fahrverbote werfen die IG Metall in Stuttgart und in Baden-Württemberg der Politik Untätigkeit vor. "Die richterlich verordneten Fahrverbote sind im wesentlichen Ergebnis einer Politik des Aussitzens und Verdrängens. Es war seit Jahren abzusehen, dass die eingeleiteten Maßnahmen nicht ausreichen werden, um die strengen Emissionsgrenzwerte in den Innenstädten einzuhalten," kritisiert der baden-württembergische Bezirksleiter Roman Zitzelsberger. Statt frühzeitig die Weichen für eine ökologische, sozial verträgliche und leistungsfähige Mobilität zu stellen, habe die Politik zu oft auf Zeit gespielt. Mit den Protesten am Stuttgarter Neckartor kassiere sie nun die Antwort.
Zusätzlich angeheizt werden sie von Ablehnungsbescheiden der Stadt Stuttgart gegenüber Beschäftigten, die sich um Ausnahmeregelungen bemühen. "Wer mehr als 1130 Euro netto bekommt, für den sei es zumutbar, sich ein neues Auto zu kaufen, begründet die Stadt mit Verweis auf das Landesverkehrsministerium. Dass so etwas die Menschen auf die Palme bringt, ist doch logisch," moniert Nadine Boguslawski, Geschäftsführerin der IG Metall Stuttgart. "Die Zuspitzung Umweltschutz versus soziale Fragen ist der größte Unfug. Es ist nicht verwunderlich, dass nun auch Populisten versuchen, das Thema der Kollegen von Porsche, Bosch und Daimler zu kapern und die Demo am Neckartor als ihre Erfindung zu verkaufen."
Protest gegen Fahrverbote greift zu kurz
Aus Sicht der IG Metall greift der Protest gegen Fahrverbote allerdings zu kurz. Das Ziel seien eine verlässliche, bezahlbare und ökologische Mobilität sowie eine zukunftsfähige Fahrzeugindustrie mit guten und sicheren Arbeitsplätzen. "Nur wenn diese Schwerpunkte gemeinsam betrachtet werden, sind die Menschen bereit, diese Veränderungen mitzugehen. Es wird endlich Zeit, dass die Politik nachbessert und Beschäftigte und ihre Interessen mit einbezieht", so die Gewerkschafter. Dass die Dieseltechnologie gerade in der Region Stuttgart eine bedeutsame Rolle spielt und hiesige Beschäftigte mit Sorge in die Zukunft blicken, werde offensichtlich von vielen Entscheidungsträgern ignoriert.
Die IG Metall wird deshalb ihre Forderungen an Politik und Wirtschaft noch mehr verdeutlichen - "notfalls auch auf der Straße", betonen Zitzelsberger und Boguslawski. Seit Jahren fordert die Gewerkschaft zum Beispiel die Einführung einer Blauen Plakette, um die notwendigen Luftreinhaltungsmaßnahmen zu unterstützen. Dazu gehören auch Übergangsregelungen für die am stärksten betroffenen Pendler. In verschiedenen Gremien in Stadt, Land und Bund hat sich die IG Metall mehrfach für solche Lösungen eingesetzt.
Autoindustrie ist ebenfalls gefordert
Auch die Autoindustrie müsse ihren Teil beisteuern. "Lange Zeit waren die Hersteller ein Teil des Problems, jetzt müssen sie noch stärker ein Teil der Lösung werden", so Zitzelsberger. Dazu sei ein Dreiklang aus Nachrüstungen, Austauschprogrammen sowie abgasoptimierten Fahrzeugen wie Hybriden notwendig. "All das muss schneller kommen und für die Betroffenen finanziell verkraftbar sein."
Vom Stuttgarter Fahrverbot Betroffene müssten mit Sofortmaßnahmen unterstützt werden. Eine vernünftige Beratung und eine umgehende Überarbeitung der Ausnahmeregelungen sind dabei nur ein erster Schritt. Da vieles dafür spricht, dass die Stickoxidbelastung durch die neuen Motorengenerationen rasch sinken werde, brauche es dringend eine neue politische Bewertung: "Das Aussperren relativ neuer und verbrauchsarmer Dieselmotoren aus den städtischen Ballungsräumen ist umwelt- und gesundheitspolitisch kaum wirksam und verkehrspolitisch irrelevant. Vor allem aber ist es sozial ungerecht," merkt Zitzelsberger mit Blick auf die nächste Stufe von Einfahrtsverboten für Euro-5-Diesel an. Das betreffe eine Fahrzeuggeneration, die bis September 2015 als Neufahrzeuge verkauft wurden.
Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft an einen Tisch
Vor diesem Hintergrund dürfe es nicht überraschen, dass der Unmut in der Bevölkerung weiterwächst, da Maßnahmen und Wirkungen in keinem sinnvollen Verhältnis zueinander stünden. Da die Urteile der Verwaltungsgerichte trotz aller inhaltlicher Kritik aber umgesetzt werden müssen, komme es nun darauf an, soziale Härten für Betroffene abzufedern, weitergehende Fahrverbote zu vermeiden und eine wirksame Verkehrs- und Energiewende auf den Weg bringen. Dazu schlagen Boguslawski und Zitzelsberger vor, Vertreter von Stadt, Land, Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Stuttgarter Betriebsräten sowie Fahrverbots-Betroffenen zügig an einen Tisch zu holen, um Lösungen für die aktuelle Situation zu erarbeiten. Erste Vorschläge von Betriebsräten aus der Region Stuttgart liegen bereits vor.
Die Gewerkschafter unterstreichen: Die IG Metall steht eindeutig zum Pariser Klimaabkommen und die Dekarbonisierung wird für viele Jahre die beherrschende Aufgabe für die Industrie und den Verkehrssektor sein. Eine verantwortliche Klimapolitik muss aber zwingend auch die Interessen von Verbrauchern und Beschäftigten mitberücksichtigen, um effektiv zu sein.
Letzte Änderung: 08.02.2019