Metaller wollen bei Arbeitszeiten wählen
Die neuen Wahlmöglichkeiten zur Arbeitszeit in der Metall- und Elektroindustrie stoßen bei den Beschäftigten in Baden-Württemberg auf reges Interesse: 2019 wollen bis dato rund 46.500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anstelle von einer Entgeltkomponente lieber acht zusätzliche freie Tage nehmen. Das ergibt eine aktuelle Umfrage unter Betriebsräten aus 325 Unternehmen in der hiesigen Metall- und Elektroindustrie.
Laut Tarifvertrag können Beschäftigte, die Kinder bis acht Jahre erziehen, Angehörige pflegen oder in Schicht arbeiten, zwischen acht freien Tagen und dem sogenannten tariflichen Zusatzgeld (27,5 Prozent eines Monatsentgelts) wählen. Der Tarifvertrag sichert zudem allen Beschäftigten einen Anspruch auf Reduzierung ihrer Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden für bis zu zwei Jahre zu - dafür haben sich der Umfrage zufolge rund 2000 Beschäftigte in Baden-Württemberg entschieden. Anträge auf diese kurze Vollzeit können einmal pro Quartal sechs Monate vor Beginn gestellt werden; der Antrag auf die acht freien Tage erfolgt einmalig für das Folgejahr bis zum 31. Oktober.
Besonders groß ist das Interesse an zusätzlicher Freizeit unter Schichtarbeitern: Sie stellen mit 75 Prozent den Löwenanteil unter den Anträgen, gefolgt von Beschäftigten mit Kindern (20 Prozent). Insbesondere unter Schichtbeschäftigten nimmt der Druck durch Mehrarbeit und Sonderschichten stetig zu, ihnen beschere die neue Regelung einen "dringend benötigten Belastungsausgleich, um ihre Gesundheit zu erhalten", so Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg. "Familien haben dank des Tarifergebnisses künftig mehr Zeit für Erziehung und Pflege und können sich die Sorgearbeit besser aufteilen. Jetzt kommt es darauf an, dass Arbeitgeber und Betriebsräte intelligente Lösungen finden, damit alle Beschäftigten ihr Wahlrecht nutzen können."
Am Standort Sindelfingen, Daimler sind bis Ende Oktober 7170 Anträge auf freie Tage statt Geld eingegangen. Der Großteil, nämlich rund 5800, stammt von Beschäftigten im Schichtbetrieb, das entspricht 45 Prozent der Schichtarbeiter am Standort.
Ergun Lümali, Betriebsratsvorsitzender Mercedes-Benz Sindelfingen: "Mit unserem Tarifergebnis haben wir den Nerv der Zeit getroffen und bieten den Beschäftigten das Richtige an. Über die nächsten Schritte im Betrieb werden wir in den kommenden Wochen mit den Unternehmensvertretern sprechen. Für die Umsetzung in Sindelfingen ist unser klares politisches Ziel: Wer will, der kann! Das wird der Unternehmensseite sicher nicht gefallen, aber unser Interesse gilt den Arbeitnehmern. Für sie machen wir uns stark."
Bis Jahresende sollen Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam über eine praktikable Umsetzung beraten, so steht es im Tarifvertrag. Dies könnten laut Zitzelsberger zum Beispiel Qualifizierungen oder Aufstockungen von Teilzeitbeschäftigten sein. "Ich hoffe sehr, dass die Arbeitgeber an Lösungen interessiert sind und den Beschäftigten nicht die Tür vor der Nase zuschlagen. Die Kolleginnen und Kollegen übernehmen seit Jahren ohne Murren jede Sonderschicht, jetzt ist es an der Zeit, dass ihre Wünsche nach Zeitsouveränität erfüllt werden. Sonst hat ihre Bereitschaft zur Flexibilität auch einmal ein Ende."
Letzte Änderung: 14.11.2018