Pressedienst 07/2009
Der Vorstand der Daimler AG will bundesweit rund 180 Auszubildende nach ihrer Abschlussprüfung im Sommer nicht übernehmen. In allen PKW- und Transporterwerken sowie in der Zentrale und Teilen des Nutzfahr-zeugbereichs soll aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage des Unter-nehmens die 2005 vereinbarte "80/20-Regelung" Anwendung finden.
Diese Regelung besagt, dass 20 Prozent der Azubis nicht unter die übliche Übernahmeregelung fallen. Insgesamt beenden 1.111 Azubis im Sommer 2009 ihre Ausbildung bei der Daimler AG.
Der Gesamtbetriebsrat und die Gesamtjugend- und Auszubildendenvertretung der Daimler AG sowie die IG Metall sind sich der Auswirkungen der momentanen Wirtschaftskrise auf die Situation des Unternehmens bewusst. Gleichzeitig sind sie in
Sorge um die betroffenen jungen Menschen, die bei einem gerade einbrechenden Arbeitsmarkt in die Arbeitslosigkeit entlassen werden sollen. Auch aus unternehmerischem Interesse sollte auf die Festeinstellung der jungen Facharbeiter und
Kaufleute nicht verzichtet werden.
Die Arbeitnehmervertretung hat der Unternehmensleitung deshalb vorgeschlagen, statt der Anwendung der "80/20-Regelung" die Auszubildenden für einen begrenzten Zeitraum mit einer verkürzten Arbeitszeit zu übernehmen. Der
Tarifvertrag eröffnet diese Möglichkeit, die auf der Kostenseite erhebliche Entlastung bringen würde. Würden beispielsweise alle Azubis mit einer Arbeitszeit von 80 Prozent übernommen, wären dies
vergleichbare Kosten wie sie bei einer Übernahme von 80 Prozent der Azubis mit voller Arbeitszeit entstehen würden. Doch die Unternehmensleitung lehnte dies ab.
Der Gesamtbetriebsrat machte daraufhin in der letzten Verhandlung am 05. Februar 2009 einen weiteren Kompromissvorschlag: Er bot eine befristete Übernahme der betroffenen Azubis für ein Jahr an. In diesem Jahr sollten die jungen Leute dabei unterstützt werden, eine neue Beschäftigung zu finden. Das Unternehmen sagte daraufhin zu, die Betroffenen während ihrer Ausbildung bei der Jobsuche zu unterstützen. Es zeigt aber keinerlei Bereitschaft, für die betroffenen Azubis nach Beendigung der Ausbildung weiter Verantwortung zu übernehmen.
Erich Klemm, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Daimler AG: "Krisenbedingte, kurzfristige Kostensenkungsmaßnahmen dürfen nicht dazu führen, dass wir die Zukunft aufs Spiel setzen. Nicht die Zukunft der jungen Menschen, für die wir Verantwortung übernommen haben. Und auch nicht die Zukunft des Unternehmens, das dann, wenn die Konjunktur wieder anzieht, die jungen Facharbeiter und Kaufleute dringend brauchen wird. Klar ist: Wir lassen unsere Azubis nicht im Stich."
IG Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann nannte es "extrem kurzsichtig", wenn ein Unternehmen wie Daimler in diesen turbulenten Tagen junge Menschen ihrer beruflichen Perspektiven beraubt. "Gerade in Krisenzeiten gilt es doch über den Tellerrand hinaus zu schauen und eine längerfristig angelegte Personalpolitik zu betreiben. Wer in einer solchen Phase nur auf die Kosten schielt, der sägt an dem Ast auf dem er selber sitzt." Noch vor wenigen Monaten habe die Debatte um den Fachkräftemangel die Öffentlichkeit bestimmt. Außerdem hätten die Unternehmen noch immer mit den Herausforderungen des demografischen Wandels zu kämpfen.
Wer in einem solchen Umfeld jungen und im eigenen Haus gut ausgebildeten Fachkräften den Stuhl vor die Tür zu stelle, der handle "höchst fahrlässig", so Hofmann. Der Gewerkschafter forderte in diesem Zusammenhang von
den Betrieben der Metall- und Elektroindustrie im Land, alle Auszubildenden zu
übernehmen. "Das wäre nicht nur ein Zeichen sozialer Verantwortung, es wäre auch ein Zeichen dafür, dass die Unternehmen personell gut aufgestellt sind um nach Ende der Krise mit dem nötigen Schwung starten zu
können.""
Gleichzeitig appellierte er an das Management des Automobilkonzerns, jetzt kein Signal in das Land zu senden, das die Anstrengungen aller Akteure zur Bewältigung der Krise konterkariere. "Der Konzern muss jetzt der Verantwortung
gerecht zu werden, die er als eines der größten Industrieunternehmen der Republik hat", sagte Hofmann.
Der Gewerkschafter kritisierte in diesem Zusammenhang auch die jüngsten Vorstöße des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall. Dort habe man offensichtlich die Zeichen der Zeit nicht verstanden.
"Es geht jetzt darum, in der Krise Perspektiven für die Metall- und Elektroindustrie zu sichern. Das heißt Fachkräfte und Nachwuchs erhalten und flexibel handeln um Beschäftigung zu sichern. Aber statt mit
konstruktivem Handeln kommt Südwestmetall mit Forderungen aus der Mottenkiste um die Ecke und will tarifliche Standards absenken und Schutzrechte für Arbeitnehmer abbauen. Da spielen wir nicht mit." Die Unternehmen dürften
jetzt die Krise nicht weiter anheizen, indem sie mit "solch unnötigen wie unsinnigen Forderungen" Beschäftigungsängste bei den Belegschaften schürten.
An der heutigen Kundgebung vor dem Daimler Werk in Stuttgart-Untertürkheim haben 3000 Beschäftigte teilgenommen.
Letzte Änderung: 11.10.2010