GBR-News
Die Betriebsräteversammlung ist jährlich Garant für flammende Reden, emotionale Debatten und leidenschaftliche Streitkultur. Mehr als 400 Betriebsrät*innen aller deutschen Standorte trafen sich letzte Woche zum digitalen Austausch - auch mit dem Vorstand.
Die Themen auf der diesjährigen Betriebsräteversammlung dem sog. "Roten Oktober" konnten vielfältiger und komplexer kaum sein. Dennoch war eines spürbar: Solidarität gewinnt. Im Fokus standen die Transformation sowie die Auswirkungen der Pandemie. Als Erfolg wurde das Hygienekonzept bei Daimler hervorgehoben: Betriebsrat und Unternehmensleitung haben schnell und effizient ein Konzept erarbeitet, dessen Maßnahmen sogar in das Hygienekonzept der Bundesregierung aufgenommen wurden.
Transformation fair gestalten - Solidarität gewinnt!
Die Transformation hin zu emissionsfreier Mobilität sei fair zu gestalten. Michael Brecht, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats: "Es geht nicht darum, die größte Abbauzahl von Arbeitsplätzen in der Zeitung zu lesen, sondern darum, gemeinsam mit uns Lösungen zu finden. Hier muss der Vorstand positive Signale setzen und uns anhören". Denn ein Mehr an Elektro und ein Rückgang der Nachfrage hieße am Ende auch ein Weniger an Arbeit. "Wie bisher auch müssen wir uns den Veränderungen stellen und dürfen sie nicht ignorieren. Wir müssen eigene Konzepte und Ideen entwickeln sowie Zielbilder an den Standorten vereinbaren und somit Transformation aktiv mitgestalten."
Mit Blick auf die Abbaupläne in den Aggregatewerken Untertürkheim und Berlin sieht er hier den Verbrenner als Teil der Lösung. "Wir werden den Verbrenner noch viele Jahre brauchen. Mit ihm verdienen wir das Geld, um Zukunftsinvestitionen bezahlen zu können." Und: "Wir brauchen endlich den Diesel-Hybrid." Auch die Betriebsratsvorsitzenden der Werke Untertürkheim und Berlin, Michael Häberle und Michael Rahmel, sind sich einig: "Die Arbeitsplätze rund um den Verbrenner dürfen nicht nach Osteuropa abwandern.". Das fahrlässige und übereilte Verlagern oder Abbauen von Industriearbeitsplätzen dürfe nicht passieren. Hier wurde deutlich, dass die Standorte solidarisch zusammenstehen und dies durch eine gemeinsame Kampagne hör- und sichtbar machen wollen.
Daimler dreht ein großes Rad - doch die Transformationszulage und die ZuSi 2030 halten
Auf die laufenden Gespräche zum organisatorischen Umbau der Daimler AG und die Überlegungen zur Auslagerung von IT-Bereichen ging Ergun Lümali, Stellvertretender Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats ein: "Wir werden darauf achten, dass sämtliche Vereinbarungen die bei der Umstrukturierung durch Projekt Zukunft zum Schutz der Beschäftigten vereinbart wurden auch bei dieser Umstrukturierung eingehalten werden". Unter dem Begriff "Rethink ParentCo" werden Verwaltungsfunktionen von der Daimler AG in die Gesellschaften Mercedes-Benz AG, Daimler Truck AG sowie Daimler Mobility AG verlagert. Hierbei handele es sich um eine organisatorische Änderung ohne Auswirkungen auf vertragliche Konditionen oder Nachteile für die Beschäftigten. Die Kritik des Betriebsrats lag im Wesentlichen darin, dass man diese strukturellen Veränderungen bereits im Zuge von Projekt Zukunft hätte umsetzen können.
Entgegen anderslautenden Gerüchten stellte er zudem klar, dass Verhandlungen zur Fremdvergabe der IT-Umfänge noch nicht begonnen hätten. Hier geht es um die Absicht der Unternehmensleitung, Teile der IT an externe Dienstleister, so genannte TAF-Partner, zu verlagern. Alle betroffenen Mitarbeiter*innen wurden letzte Woche über den aktuellen Stand der Gespräche informiert. Wichtig sei dabei: "Dass für einen eventuellen Betriebsübergang zu einem der externen Dienstleister Konditionen ausgehandelt werden, die für die betroffenen Beschäftigten dauerhaft keinen Nachteil entstehen lassen." und weiter "Zu einem Betriebsübergang niemand gezwungen werden könne.".
Sparen ja - aber nicht allein auf Kosten der Beschäftigten
Aufgrund der wirtschaftlichen Situation seien alle Investitionen auf dem Prüfstand. Außerdem sei es fraglich, ob sich die Weltwirtschaft nach Corona wieder schnell erholen wird. Die Transformation als auch die momentane Wirtschaftskrise - mit dem damit einhergehenden Sparwahn - sind nur gemeinsam zu meistern. Der gangbare Kompromiss war daher, für indirekte Bereiche befristet Arbeitszeit zu reduzieren und für alle die Wandlung von Arbeit in Freizeit so Michael Brecht. Momentan jedoch würden viele Beschäftigte Überstunden machen müssen bei gleichzeitiger Arbeitszeitreduzierung. "Es könne nicht sein, dass die Belegschaft ihren Beitrag für den Konzern in der Krise bringt, und sie auf der anderen Seite vom Vorstand das Gefühl vermittelt bekommt, man wolle sie eigentlich gar nicht mehr haben. Und dann sollen sie am besten noch eine zweite Nullrunde bei den Tarifverhandlungen hinnehmen. Das gehe so nicht." so Ergun Lümali. Auch unter Corona-Bedingungen sind die Menschen bereit, ihren Unmut solidarisch kund zu tun.
Kein zweites Detroit
Michael Brecht betonte in seinem Abschlussstatement in Richtung der anwesenden Vorstände, dass in Deutschland 170.000 Menschen Tag für Tag ihr Bestes geben für unseren Konzern. Menschen entwickeln, bauen, verkaufen und fahren Autos. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Die Kolleginnen und Kollegen an allen Standorten sind Teil der Lösung, nicht das Problem. Der Vorstand könne von den Beschäftigten nicht Teamwork und Höchstleistung verlangen, wenn sie ständig das Gefühl bekommen, man wolle sie nicht. Es gelte jetzt zu handeln, damit Stuttgart nicht das neue Detroit werde. "Das geht nur mit uns, nicht gegen uns."
Letzte Änderung: 19.10.2020