GBR-News
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
in den letzten Tagen häuften sich die Meldungen, dass bei Daimler über die öffentlich genannten Einsparziele in den indirekten und Verwaltungsbereichen hinaus massiv Arbeitsplätze in der Produktion abgebaut werden sollen. Betroffen sind zunächst insbesondere die Werke Berlin und Untertürkheim. Der Grund dafür ist nicht alleine, dass Arbeit durch Transformation und Elektromobilität wegfällt, sondern weil das Unternehmen nicht mehr in Bereiche der herkömmlichen Antriebe investieren will. Und wenn überhaupt, dann in Polen oder Rumänien. Zusätzlich schlagen Produktivitätseffekte, die wir früher durch Wachstum aufgefangen haben, durch.
Kein Kahlschlag unserer Standorte!
Konkret wurden nun Pläne für die Werke Berlin und Untertürkheim publik, die drastische Einschnitte in beiden Werken zur Folge hätten!
In unserem Werk in Untertürkheim sollen bis 2025 rund 4.000 Stellen wegfallen. In Berlin ist von 1.000 Arbeitsplätzen die Rede. Die angespannte finanzielle Situation führt dazu, dass zukünftige Investitionen auf dem Prüfstand sind. Eine Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Osteuropa ist wie erwähnt nicht ausgeschlossen. Solche harten Schritte rauben uns die notwendige Zeit, die wir für eine faire Gestaltung der Transformation benötigen. Dies können wir so nicht akzeptieren.
Wir stehen mit Daimler vor zwei wesentlichen Herausforderungen:
1. Transformation und Transformationsverluste
Neben der Digitalisierung ist das beherrschende Thema des Strukturwandels in der Automobilindustrie der Weg in die Elektromobilität. Vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb, vom analogen zum digitalen Auto - die Transformation unserer Branche ist in vollem Gang. Fakt ist, der Klimawandel ist nicht zu leugnen. Energiewende und Nachhaltigkeit sind im ökologischen Bewusstsein der Gesellschaft verankert. Die gesellschaftliche Diskussion über das Image des Autos und gegen die Technologie der Verbrennungsmotoren wird zugespitzt durch politische Einflussnahme. Die EU beabsichtigt eine weitere Verschärfung der Klimaziele bis 2030. Die Transformation ist richtig und notwendig, aber sie muss fair für die Beschäftigten ablaufen und für die Unternehmen finanziell zu stemmen sein. Der Faktor Zeit spielt zudem eine entscheidende Rolle. Für den Übergang braucht es Zeit für Qualifizierung, Zeit für Weiterbildung, Zeit für die Entwicklung von Beschäftigungsalternativen und Zeit, um Arbeit innovativ und sinnvoll umzuorganisieren.
Andernfalls würde es dazu führen, dass immer mehr Unternehmen aufgrund der wirtschaftlichen Belastungen unter Druck geraten und in letzter Konsequenz ein großer Teil etablierter Arbeitsplätze in unserer Industrie mit gnadenloser Brutalität wegfallen würde. Arbeitsplätze von Kolleginnen und Kollegen, die den Erfolg von Daimler bisher erst möglich gemacht haben. Arbeitsplätze von Kolleginnen und Kollegen, die über Jahre ihre Loyalität und ihr Engagement dem Stern gewidmet haben. Wenn der Strukturwandel allerdings schneller erreicht werden soll, dann braucht es dafür auch die richtigen Rahmenbedingungen und Einigkeit darüber, dass niemand auf der Strecke bleibt.
Transformation fair gestalten!
Wir als Gesamtbetriebsrat sind für eine technologieoffene Diskussion in Sachen Antrieb. Auch wenn auf dem Feld der Elektromobilität und der Ladeinfrastruktur momentan viel Boden gut gemacht wird, können wir nicht mit Gewissheit sagen, ob der Elektroantrieb allein die Antriebstechnologie der Zukunft sein wird. Was eine gute Lösung für urbane Mobilität ist, muss noch lange keine ausreichende Lösung für alle Mobilitätsbedarfe in anderen Regionen sein. Wir wollen den Verbrenner nicht verteufeln. Synthetische Kraftstoffe etwa haben das Potential, konventionelle Antriebe nahezu emissionsfrei betreiben zu können. Wasserstoff ist eine gute Alternative für Nutzfahrzeuge - hier ist als Positivbeispiel die Kooperation mit Volvo Trucks hervorzuheben. Regenerative und alternative Kraftstoffe sind somit auch eine Säule der emissionsfreien Mobilität. Die Transformation muss von der Politik so unterstützt werden, dass auch neue Arbeitsplätze als Ersatz für entfallene, entstehen können.
2. Kein Abbau von Arbeitsplätzen aufgrund restriktiver Investitionsplanung!
In lokalen Gesprächen mit den Betriebsräten werden gerade mögliche Auswirkungen auf die verschiedenen Standorte aufgezeigt. Im Rahmen der notwendigen Zielbilddiskussion über die Zukunft unserer Werke gibt es nun erste Informationen aus dem Kreis der Unternehmensleitung. Das Unternehmen möchte mit der Begründung, dass zu wenig Geld für Investitionen in herkömmliche Bereiche da ist, Komponenten verlagern oder fremd beziehen. Die herkömmlichen Produkte finanzieren unseren Weg in die Zukunft. Sie helfen uns zudem mit einer stabilen Beschäftigung den Weg der Transformation fair zu gestalten. Diese Nabelschnur aufgrund des aktuellen Kostendrucks ohne Beschäftigungsalternativen für uns radikal abzuschneiden, lehnen wir ab!
Zielbilder entwickeln - für unsere Zukunft!
Wir brauchen Antworten und Perspektiven für unsere Kolleginnen und Kollegen, vor allem in den Produktionsbereichen. Wir müssen Zielbilder für unsere Standorte definieren, die eine Zukunftsperspektive für unsere Beschäftigten bieten. Insbesondere brauchen wir Klarheit darüber, welche Funktionen, Produkte und Technologien wo ansässig sind und weiterentwickelt werden. Welche neuen Technologien werden in Zukunft von unseren Ingenieuren entwickelt, in unseren Fabriken produziert und über unseren Vertrieb in Kundenhand übergeben und gewartet? Darüber müssen wir streiten. Fakt ist: Unsere Beschäftigungssicherung gilt. Und überall dort, wo sich Funktionen und Aufgaben verändern, greift die vereinbarte Transformationszusage. Das heißt, es muss alternative Beschäftigungsmöglichkeiten mit entsprechenden Qualifizierungsprogrammen für diese Kolleginnen und Kollegen geben.
Neue Konzepte sind gefragt - reduzieren kann jeder!
Bei allem Investitionsdruck werden wir es nicht zulassen, dass wir als Belegschaft, die Daimler großgemacht hat, einfach fallengelassen werden. Wir haben es verdient, dass mit uns ehrlich und fair umgegangen wird. Der Wandel gelingt
nur mit uns Beschäftigten, nicht gegen uns. Der Vorstand ist jetzt gefragt, gesellschaftliche und soziale Verantwortung zu übernehmen. Während der Corona-Pandemie haben wir viel durch Solidarität erreicht. Wir
erwarten, dass für das Unternehmen auch jetzt solidarisches Handeln gegenüber uns und unseren Arbeitsplätzen selbstverständlich ist.
Wir sind eine selbstbewusste Belegschaft, die eine Zukunftsperspektive verdient hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegt ein schwieriger und steiniger Weg vor uns. Wir stehen aber zusammen, um diesen Weg für uns alle erfolgreich zu gestalten. Es gibt keine einfachen Lösungen. Deshalb fallt bitte nicht auf kleine Gruppierungen herein, die mit ihren Parolen Ängste schüren, um daraus politisches Kapital zu schlagen.
Für den Gesamtbetriebsrat Daimler
Michael Brecht
Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Daimler AG
Ergun Lümali
Stellv. Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Daimler AG
Letzte Änderung: 28.09.2020