Massiver Anstieg der Kurzarbeit erwartet
Mitbestimmung bewährt sich bei Krisenbewältigung
Stuttgart. In den kommenden Tagen und Wochen wird die Kurzarbeit in den IG Metall-Branchen im Südwesten deutlich zunehmen. Eine aktuelle Befragung unter rund 200 Betriebsräten in der baden-württembergischen Industrie ergab, dass sich 4 von 10 Betrieben bereits in Kurzarbeit befinden. 84 Prozent der Betriebsräte rechnen damit, dass die Kurzarbeit andauert beziehungsweise in den nächsten Monaten eingeführt wird. "Dann steigen die Zahlen der Beschäftigten in Kurzarbeit massiv an und werden voraussichtlich das Niveau der letzten Krise 2008/2009 deutlich übertreffen. Umso wichtiger ist jetzt, dass alle Beschäftigten von Zuzahlungen ihrer Arbeitgeber zum gesetzlichen Kurzarbeitergeld profitieren", betont Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall im Südwesten.
Textil- und Bekleidung und Elektrohandwerk müssen nachbessern
Mit Ausnahme der Textil- und Bekleidungsindustrie und des Elektrohandwerks gelten in allen IG Metall-Branchen in Baden-Württemberg tarifliche Aufzahlungsregeln. Damit kommen Beschäftigte, die gar nicht mehr arbeiten können, also in "Kurzarbeit Null" sind, immer noch auf mindestens 80 Prozent ihres Nettoverdiensts. Dies müsse endlich auch in der Textil- und Bekleidungsindustrie und im Elektrohandwerk gelten, fordert Zitzelsberger.
Dort ist es zwar gelungen, in etlichen Betrieben Aufzahlungen zu vereinbaren, eine Branchenlösung aber fehlt. Nachdem Unternehmen die Sozialbeiträge für ausgefallene Arbeitsstunden komplett erstattet bekommen, sollten sie wenigstens den Arbeitnehmerbeitrag an ihre Beschäftigten weitergeben. Das gebietet allein die Fairness.
Nach der aktuellen Befragung verschont die Corona-Pandemie im Südwesten nur wenige Betriebe. Drei Viertel befürchten in den nächsten zwei Wochen eine starke bis sehr starke wirtschaftliche Betroffenheit, ebenso viele erwarten, dass die Aussichten für die nächsten drei Monate schlecht bis sehr schlecht bleiben. Sorgen bereitet der IG Metall, dass 3 von 10 Betrieben aufgrund der Unsicherheiten über den weiteren Pandemieverlauf um das langfristige Überleben fürchten, doppelt so viele sehen das Thema Beschäftigung kritisch. Der Umfrage zufolge planen 23 Prozent aktuell den Abbau von Personal, Neueinstellungen stehen nur noch bei 14 Prozent auf der Agenda.
Betriebsvereinbarungen zur Bewältigung der Krise
Umso wertvoller erweist sich in diesen Zeiten die Mitbestimmung: In nahezu allen Betrieben haben Betriebsräte mit den Geschäftsführungen über die wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Folgen der Krise beraten. In 6 von 10 Betrieben führte dies zu konkreten Betriebsvereinbarungen, zum Beispiel zu Hygienemaßnahmen und Arbeitsschutz, Aufrechterhaltung des Betriebs, Kurzarbeit, flexiblen Arbeitsmodellen oder mobilem Arbeiten.
Die Betriebsräte berichten überwiegend positiv über die Bewältigung der Corona-Krise: 60 Prozent sind der Einschätzung, dass die Unternehmen mit ihren Belegschaften mit Blick auf die Sicherung von Arbeit und Einkommen fair umgehen. Ein weiteres Drittel schätzt das Verhalten der Unternehmen als akzeptabel ein. Nur 6 Prozent vergeben das Urteil "unfair". Zitzelsberger: "Wir freuen uns, dass die Zusammenarbeit in der Mehrheit der Betriebe partnerschaftlich läuft, die zahlreichen Vereinbarungen zum Umgang mit der Krise zeigen einmal mehr den Wert der betrieblichen Mitbestimmung. Es ist bedauerlich, dass in einigen wenigen Geschäftsführungen da leider noch Nachholbedarf besteht."
Mit Blick auf die beginnenden Diskussionen über ein Wieder-Hochfahren der Produktionen, warnt Zitzelsberger vor einem zu frühen Start. Erst müssten die Maßnahmen der Bundesregierung Wirkung zeigen und die Infektionen zurückgehen; ferner müsse sichergestellt werden, dass die Infektionsrisiken in den Betrieben auch in Zukunft bestmöglich minimiert werden. "Die Gesundheit der Beschäftigten muss weiterhin höchste Priorität haben - insbesondere dort, wo wie etwa in der Montage Menschen nah zusammenarbeiten. Das können Arbeitgeber und Betriebsräte nur gemeinsam und im Interesse der Menschen und Unternehmen lösen und es gilt jetzt, auf die gute und faire Zusammenarbeit der letzten Wochen aufzubauen."
Letzte Änderung: 06.04.2020