Ganz nah dran!
Das Thema "Projekt Zukunft" wurde in den letzten Wochen in internen und externen Medien rauf und runter zitiert und beschäftigte die Gemüter. Hierbei kam der Arbeitnehmervertretung eine besondere Rolle zu.
In den Betriebsversammlungen am 20.11.2017 in Möhringen und Untertürkheim haben Mitglieder des Vorstands (Frau Renata Jungo Brüngger/Möhringen und Herr Martin Daum/Untertürkheim) rund um das Projekt einen Einblick gegeben und wichtige Fragen aus der Belegschaft beantwortet. So entstand ein Stück mehr Transparenz im Rahmen des geplanten Konzernumbaus. Dafür von der Redaktion des Scheibenwischers unseren Dank an die Vorstände.
Auch unser Betriebsratsvorsitzender Jörg Spies hat in den Versammlungen einen Einblick in die strategische Ausrichtung des Gesamtbetriebsrats gegeben und ist auf die Entscheidungsfindung der Arbeitnehmervertretung etwas tiefer eingegangen. Diesen Dialog wollen wir noch etwas vertiefen und haben Jörg Spies zu einem Gespräch in die Redaktion des Scheibenwischers eingeladen.
Jörg, Du hast in den Betriebsversammlungen von einem schwierigen Weg zu einer Entscheidung in Sachen Neustruktur des Unternehmens gesprochen. Was meinst Du damit?
Nun, es geht immerhin um den größten Konzernumbau seit über 20 Jahren, von dem rund 150.000 Menschen betroffen sein werden, wenn er denn kommt. Da ist es schon wichtig, genau zu verstehen, was geplant ist und wie das
letzten Endes auf Jede und Jeden einzelnen Beschäftigten wirkt.
Kannst Du uns das etwas genauer erklären?
Als Arbeitnehmervertretung haben wir nach der ersten Information durch den Vorstand genau die gleichen Fragen gestellt, die auch in der Versammlung und im Intranet gestellt wurden. Warum gerade jetzt dieser Umbau, uns geht es doch
gut? Sind wir nicht stärker wenn wir zusammen bleiben? Wenn es so kommt wie es geplant ist, was heißt das für den Arbeitsvertrag eines jeden Einzelnen usw.?
Und wie habt Ihr auf alle diese Fragen für euch eine Antwort gefunden?
Da war zum einen der Input durch den Vorstand. Dessen Aufgabe ist es, im Sinne des Unternehmens ständig darüber nachzudenken, wie sich unser Tätigkeitsfeld, der klassische Automobilbau, in den nächsten 5 bis 10
Jahren entwickelt. Er hat aber auch die Aufgabe nach strategischen Handlungsfeldern zu schauen, die das Unternehmen noch erfolgreicher machen können. Das ist auch richtig so, dafür werden unsere Vorstände sehr gut bezahlt.
Der Vorstand hat uns dargelegt, dass uns der Umbruch rund um das Automobil, Verbrenner versus Elektroautomobil bis hin zu einer neuen Welt der Mobilität vor riesige Herausforderungen stellt. Auch hat man uns erklärt, was es
genau heißen könnte, wenn wir uns diesen Herausforderungen nicht stellen und lediglich das verwalten, was bisher vorhanden ist. Herr Daum hat das ganz gut auf den Punkt gebracht. Wenn wir nicht reagieren, reagiert der Markt und
bestimmt über uns. Und das ist kein gutes Ziel.
Hat euch dieser Input durch den Vorstand ausreicht?
Ganz klar nein! Nicht, weil wir dem Vorstand nicht trauen würden. Vielmehr ging es uns darum, bevor wir eine Entscheidung treffen, uns zusätzliche Informationen von unbeteiligten Dritten einzuholen.
Wie hat der Vorstand darauf reagiert?
Von Anfang an sehr positiv. Er hat uns sogar angeboten uns dabei zu unterstützen, wenn wir es wollen.
Wen habt Ihr dann als Inputgeber an Bord geholt?
Das habe ich auf den Betriebsversammlungen schon ausführlich dargestellt. Ganz vorne mit dabei war die Hans-Böckler Stiftung und natürlich unsere IG Metall. Aber auch aus Bereichen auf die man nicht so schnell kommt,
hatten wir einen Berater angefordert.
Von wem sprichst Du?
Ich spreche vom Chef der Automotiv-Sparte Europa des Bankhauses Goldmann &Sachs.
Dass die IG Metall mit ihren Top Leuten mit dabei war ist zu verstehen. Was aber konntet Ihr von einem Bänker erwarten?
Der Goldmann&Sachs-Vertreter war kein Bänker im klassischen Sinn. Er ist Analyst am Kapitalmarkt und hat uns die Sicht des Marktes näher gebracht. Dabei hat er auch seinen Blick nach vorne gerichtet und uns seine
Einschätzung zu Daimler gegeben. Es würde jetzt zu weit gehen das in diesem Gespräch alles erläutern zu wollen. Fakt ist aber, dass man Daimler im Kapitalmarkt durchaus zutraut die Transformation zu schaffen, wenn wir
mehr Fahrt aufnehmen und flexibler werden.
Was war euer Fazit und wie ging es dann weiter?
Nachdem wir alle Fakten zusammen hatten und alle Vor- und Nachteile des geplanten Konzernumbaus auf dem Tisch lagen, war der Auftrag sehr schnell klar. Unter der großen Überschrift auch in einer neuen Struktur ein Daimler
sein zu wollen, haben wir unsere Forderungen gegenüber dem Vorstand formuliert.
Vieles von dem was da gefordert wurde, und als Ergebnis steht, kennen wir zwischenzeitlich. Gibt es denn eine Forderung die nicht erfüllt wurde?
Ja, die gibt es. Wir hatten das Ziel, dass ein Vertrag zustande kommt, der Daimler für eine sehr lange Zeit verbietet, ganze Sparten oder Teile davon zu verkaufen. Hintergrund dazu ist die bekannte Debatte im Betrieb, um einen
möglichen Verkauf von Truck an einen Dritten. An dieser Stelle steht nun die Absichtserklärung des Vorstands, dies nicht tun zu wollen.
Warum habt Ihr euch dort nicht durchgesetzt? Die Fragen aus der Belegschaft zeigen ja ganz deutlich dass dort Ängste bestehen.
Das hat einen ganz einfachen Grund. Nach den deutschen Gesetzen wäre ein solcher Vertrag rechtsunwirksam, wie es die Juristen so schön formulieren. Also, braucht man nicht um etwas zu kämpfen was sowieso, wenn es hart
auf hart kommt, keine Wirkung entfaltet.
Kommen wir jetzt noch ganz kurz zu einem anderen Thema. Die, so glauben wir, wichtigste Frage, die die Menschen bewegt. Was passiert mit den Arbeitsverträgen?
Da schaue ich mal kurz in meine eigene Vergangenheit. Ich bin seit 1984 im Unternehmen, damals noch Daimler-Benz. Es gab dann diverse Veränderungen erst hin zu Mercedes-Benz, anschließend DaimlerChrysler bis zu meinem
heutigen Vertrag der Daimler als Überschrift hat. Fakt ist, bis heute ist der erste Arbeitsvertrag ohne wesentliche Änderungen gültig. Das wird auch dieses Mal so sein, egal wo Sie oder Er in Zukunft einen Platz haben
wird.
Das hört sich schon mal ganz gut an. Was willst Du den Kolleginnen und Kollegen noch an guten Botschaften überbringen?
Da wären noch ganz viele wichtige Dinge. Aber wie bereits vorhin erwähnt, würde das hier und heute den Rahmen sprengen. Ich kann nur anbieten, dass sich die Kolleginnen und Kollegen gerne melden dürfen, um mit mir
ihre individuelle Situation zu besprechen. Wir haben mit der ZUSI 2030 die längste Beschäftigungssicherung aller Zeiten geschaffen. Ich denke, dass ist alleine ein super Signal in die Zukunft.
Wie geht es jetzt weiter? Was genau sind die nächsten Schritte?
Das letzte Wort zum Umbau haben die Aktionäre in 2019 auf der Hauptversammlung. Bis dahin sollen alle vereinbarten Punkte Stück für Stück zum Leben erweckt werden. Das heißt, dass in 2018 die ersten neuen
Strukturen entstehen sollen. Ziel dabei ist, ein klares Bild zu bekommen, wer geht in welche AG. Darüber hinaus werden wir die Mitbestimmungsstrukturen aufbauen müssen, damit bei einem positiven Entscheid, ein nahtloser
Übergang möglich ist. Als Betriebsrat werden wir in diesen Prozess eingebunden sein und ein waches Auge haben, damit nichts schief geht. Bereits im ersten Quartal 2018 sollen die Investitionsausschüsse der zukünftigen
AG"s an den Start gehen und ihre Arbeit aufnehmen. Das Jahr 2018 wird also viel Arbeit mit sich bringen.
Hast Du noch ein Schlusswort oder ein persönliche Fazit?
Schlusswort ist vielleicht zu viel gesagt. Immerhin stehen wir ganz am Anfang auf dem Weg zu einem neuen Daimler. Deshalb formuliere ich es mal so: Aus den Plänen des Vorstands haben wir das Beste herausgeholt, das man für
eine Belegschaft vereinbaren kann. Ob in den nächsten 12 Jahren alles so kommen wird, wie es jetzt auf dem Papier steht weiß niemand, auch ich nicht. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass die Weichen gerade richtig gestellt
werden und wir unserem Anspruch die Nr. 1 auch in Zukunft zu sein, gerecht werden.
Jörg, vielen Dank für das Gespräch und wir wünschen dir weiter viel Kraft und Erfolg beim Einsatz für die Beschäftigten.
Das Gespräch mit Jörg Spies führte für die Redaktion Silke Wasel.
Letzte Änderung: 08.12.2017