Elektromobilität und Beschäftigung

Elektromobilität

16.12.2016 Das Unternehmen hat seine ehrgeizige Elektrostrategie präsentiert. Die Betriebsräte fordern, dass die Elektrofahrzeuge und die alternativen Antriebe in den bestehenden Werken gefertigt werden.

Neu ist die Debatte nicht: die Elektrifizierung des Antriebsstrangs wird Auswirkungen auf die Zahl der Beschäftigten und die Qualifikationsstruktur im Unternehmen haben. Für diese Erkenntnis braucht es kaum Phantasie oder technische Kenntnis - ein Blick auf einen Verbrennungsmotor einerseits und einen Elektromotor andererseits reicht: letzterer besteht aus deutlich weniger Teilen, entscheidend für die Leistung ist die Batterie, die drinsteckt. Wie immer das Verhältnis am Ende genau aussieht - Fakt ist, dass für die Fertigung eines Elektromotors deutlich weniger Menschen notwendig sind als zum Bau eines konventionellen Motors.

ELAB-Studie 2012 gab Entwarnung
Die Studie "ELAB - Elektromobilität und Beschäftigung", die der Gesamtbetriebsrat bereits Anfang dieses Jahrzehnts angestoßen hatte, gab noch Entwarnung: bis mehr Elektrofahrzeuge als Verbrenner auf den Straßen fahren, würde es noch unabsehbar lange dauern.

Bild: ELAB

Solange aber verschiedene Antriebsarten - also konventionelle und alternative Antriebe sowie verschiedenen Hybride - parallel gefertigt werden, sei eher mehr als weniger Beschäftigung zu erwarten.

Erst ab 2030 könnte sich diese Entwicklung langsam drehen. Die schleppende Entwicklung des Absatzes von Elektrofahrzeugen bestätigten diese Prognose. Die mickrigen Verkaufszahlen führten dazu, dass die Entwicklung von E-Autos jahrelang eher auf Sparflamme betrieben wurde. Auch durch die Kaufprämie gab es keinen richtigen Schub.

Turbo eingeschaltet bei der Elektromobilität
Aber die Rekord-Bestellungen für das Tesla Model 3 haben die Konzernchefs nun ganz schön aufgescheucht.

Hinzu kommt: Diesel-Gate bei Volkswagen im letzten Jahr und die seitdem ungebrochen aufgeregte Debatte haben die Statik der alten Strukturen und Denkmuster in der Automobilbranche ohnehin erschüttert. Seitdem schalten die Hersteller den Turbo bei der Elektromobilität ein, um Emissions-Misere und Diesel-Abgesänge schnell hinter sich zu lassen. Es ist wie ein Befreiungsschlag von der negativen öffentlichen Debatte.

Spätestens seit dem Pariser Automobilsalon im September dieses Jahres ist klar: Daimler ist bei der Elektromobilität mit dabei - und will ganz nach vorne, wohin auch sonst? Die Elektrostrategie des Unternehmens sieht 10 rein elektrifizierte Modelle der neuen Marke EQ bis 2025 vor. Das Rennen der Hersteller läuft. Dabei überbieten sich die Konzernchefs mit Ankündigungen: 15 -25 % der Produktion könnten in 2025 schon elektrifizierte Fahrzeuge sein.

ELAB-Studie aktualisieren!
Bei solchen Szenarien stellt sich die Frage nach den Auswirkungen auf die Beschäftigung neu und sehr viel drängender. Der Gesamtbetriebsrat hat daher eine Aktualisierung der ELAB-Studie auf den Weg gebracht. Gemeinsam mit der Unternehmensleitung sollen in den nächsten Monaten belastbare Szenarien für die einzelnen Standorte - sowohl in den Aufbauwerken als auch in den Aggregate-Werken - entwickelt werden, die die veränderte Dynamik der Entwicklung berücksichtigen. Auf dieser Basis können alle Seiten zielgerichtet und vorausschauend handeln.

Forderungen der Betriebsräte:

  • Antriebsstrang aus den bestehenden Powertrain-Werken

Auch der elektrifizierte Antriebsstrang muss aus den bestehenden Powertrain-Werken kommen. Dazu gehört für uns selbstverständlich auch das Kernstück: die Batterie. Deshalb müssen die Investitionen in Batteriefabriken weltweit noch einmal kritisch hinterfragt werden.

Die Fertigungsumfänge, die mit der Elektromobilität entstehen, dürfen keinesfalls automatisch an Dritte gehen. Das gilt auch für neue Produkte, die im Rahmen der Elektrifizierung entlang der Wertschöpfungskette neu entwickelt werden - z.B. Einrichtungen zum Laden der Fahrzeuge. Unsere Powertrain-Werke müssen eine faire Chance bekommen, diese künftig herzustellen. Hier darf es keine Denkverbote geben.

  • Elektrofahrzeuge aus den bestehenden Aufbauwerken

Die Elektrofahrzeuge müssen an den Standorten gefertigt werden, an denen auch die Fahrzeugmodelle mit Verbrennungsmotor vom Band laufen. Der elektrifizierte GLC aus Bremen kann hier nur ein löblicher Anfang sein, es müssen jetzt Sindelfingen und Rastatt mit ihren Produkten folgen. Der Vorstand hat sich bereits dazu bekannt, die Elektrofahrzeuge nicht an einem zentralen Standort fertigen zu wollen. Das ist gut so. Derzeit verhandelt der Betriebsrat am Standort Sindelfingen intensiv mit der Werkleitung. Er will klare Zusagen für die zukünftigen Elektrofahrzeuge (EVA2) der Oberklasse erreichen - und damit die Teilhabe der Sindelfinger Belegschaft an der Zukunft im Unternehmen.

  • Neue Geschäftsmodelle in unseren Strukturen halten

Auch die neuen Geschäftsmodelle rund um die Mobilität, die so viele neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen sollen, dürfen nicht automatisch außerhalb unserer Strukturen umgesetzt werden. Sie müssen Chancen für Daimler-Kolleginnen und -Kollegen eröffnen.

Kurz: Wir brauchen eine tragfähige Personal- und Qualifizierungsstrategie, die mindestens so überzeugend ist wie die Elektrostrategie des Unternehmens. Das gilt für alle Divisionen gleichermaßen. Den Transformationsprozess durchlaufen auch die Trucks, Busse und Vans. Damit stehen wir alle vor den gleichen Herausforderungen und brauchen eine klare strategische Ausrichtung für das Unternehmen, aber auch für die Beschäftigung der Zukunft.

Auch der Verbrennungsmotor muss weiter optimiert werden, um die politisch gesetzten Ziele zur Reduktion von Fahrzeug-Emissionen umzusetzen. Die IG Metall hat dazu ein Positionspapier vorgelegt, das ihr im Anhang eingesehen werden kann.

Letzte Änderung: 19.12.2016