Betriebsratswahlen 2014 in der Zentrale
Warum eine Mehrheit der IG Metall im Betriebsrat richtig und wichtig ist - und nicht etwa "undemokratisch"
Jüngst wurde ich mit der Aussage konfrontiert, Betriebsrätinnen und Betriebsräte der IG Metall seien politisch "einseitig" motiviert. Das soll wohl so viel bedeuten wie "die folgenden blind einer bestimmten Agenda/Parteilinie". Gleichzeitig wird behauptet, eine absolute Mehrheit der IG Metall im Betriebsrat der Daimler Zentrale "heble die Demokratie aus". Diese Aussagen haben mich bewegt, geärgert, betroffen gemacht - und zum Nachdenken gebracht. Halte ich mich doch weder für einen "Parteisoldaten", denn die IG Metall ist keine Partei, noch für "demokratiefeindlich". Lassen Sie uns gemeinsam einen fundierten Blick auf das Thema Gewerkschaften und Betriebsrat werfen.
Politisch "einseitige" IG Metall?
Die starke Zersplitterung der Gewerkschaften in den Zeiten der Weimarer Republik wird von Historikern als eine der wesentlichen Ursachen für die Niederlage der Arbeiterbewegung 1933 und den späteren Aufstieg der
Nationalsozialisten gesehen. Infolge dieser Erfahrungen gab es nach dem Krieg einen breiten Konsens bzgl. der Gründung sogenannter "Einheitsgewerk-schaften". Darunter versteht man "Gewerkschaften, die für alle
Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf deren politische oder weltanschauliche Überzeugung gewerkschaftliche Heimat sein können."*
Der Begriff hat also nichts mit "Gleichschaltung" zu tun - sondern zeugt vielmehr von parteipolitischer Neutralität (der Gewerkschaft) und Vielfalt (ihrer Mitglieder). Entsprechend wurde die IG Metall 1949 als
Einheitsgewerkschaft gegründet mit dem Ziel, sich für die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Metall- und Elektroindustrie einzusetzen - völlig unabhängig von der politischen oder konfessionellen
Herkunft ihrer (vielfältigen) Mitglieder.
Heute bündelt die IG Metall die Interessen von 2,3 Millionen Mitgliedern in über 18.000 Betrieben, vertritt sie in Tarifverhandlungen und setzt sich dafür ein, dass überall in der M&E Industrie betriebsübergreifend (!) weitgehend gleichwertige Bedingungen geschaffen werden.
Die beschriebene Vielfalt der IG Metall als Ganzes spiegelt sich auch in unserer Fraktion im Betrieb Zentrale wider. Wir Betriebsrätinnen und Betriebsräte der IG Metall haben unterschiedliche politische und weltanschauliche Überzeugungen, aber uns verbindet ein gemeinsames Ziel: wir setzen uns konstruktiv und mit Rückgrat für Arbeitnehmerinteressen ein.
Dabei diktiert die IG Metall niemandem von uns eine (politische) Agenda, sondern steht uns als starker Partner mit Rat und Tat zur Seite. Hier einen Gegensatz zwischen den Interessen unserer Kolleginnen und Kollegen im Betrieb Zentrale und denen der IG Metall zu konstruieren ist widersinnig, vertritt die IG Metall in Ihren Verhandlungen doch stets auch unsere Belegschaft.
Eine absolute Mehrheit der IG Metall im Betriebsrat "hebelt die Demokratie aus"?
Vertreter dieser Aussage bemühen gerne die Analogie zur parlamentarischen Demokratie, als sei der Betriebsrat das "Parlament", der Betriebsratsvor-sitzende der "Regierungschef" mit seiner ihn stützenden Mehrheit der IG Metall und einer Opposition "unabhängiger" Fraktionen. Dieser Vergleich ist unzutreffend, denn ein Betrieb ist keine demokratische Einrichtung im Sinne der parlamentarischen Demokratie. Unsere "Regierung" ist der Arbeitgeber, er hat die Richtlinien- und Entscheidungskompetenz.
Der gesamte Betriebsrat als "Opposition" - wenn man das so nennen will - hat lediglich Mitbestimmungsrechte in einzelnen Themengebieten, die sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ableiten. Um Arbeitnehmerinteressen auch durch-setzen zu können, bedarf es neben politischen Mehrheiten vor allem einer breiten Unterstützung in der Belegschaft.
Von tariflichen (und betrieblichen) Leistungen wie regelmäßigen Lohnerhöhungen, Altersteilzeit, Urlaubsgeld, 30 Tage Urlaub, Weihnachtsgeld, Arbeitsschutzbestimmungen, Alterssicherung, einer angemessenen Beteiligung am Unternehmensgewinn und vielem mehr profitieren wir nur, weil die IG Metall es geschafft hat, gemeinsam mit ihren Mitgliedern diese Leistungen zu erkämpfen. Und es liegt nahe, dass diejenigen, die diese Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen verhandelt haben, auch am besten für die flächendeckende Umsetzung sorgen können.
Vertrauen fällt nicht vom Himmel
Wenn, wie bei der letzten Wahl geschehen, über 50 Prozent der Wählerinnen und Wähler des Betriebs Zentrale der IG Metall ihr Vertrauen aussprechen - ist das dann undemokratisch? Eine aus demokratischen Wahlen entstandene (und somit legitimierte) absolute Mehrheit ist kein Demokratieversagen, sondern ein Dank für die geleistete gute Arbeit und vor allem ein Vertrauensvorschuss im Sinne von "Wir trauen Euch zu, dass ihr auch die Probleme von morgen in unserem Sinne löst!". Und dieses Vertrauen fällt nicht vom Himmel, sondern wurde von den Betriebsrätinnen und Betriebsräten der IG Metall hart erarbeitet.
Und übrigens wurden unsere erarbeiteten Lösungs- und Kompromissvorschläge keinesfalls mit unserer Mehrheit "durchgeboxt", sondern fielen zumeist einstimmig - also mit Zustimmung aller oder eines Großteils der anderen "unabhängigen" Fraktionen. Keiner käme dabei auf die Idee, von fehlendem Demokratieverständnis zu sprechen. Im Gegenteil: Die Stärke und Durchsetzungsfähigkeit der IG Metall wird dankbar in Anspruch genommen.
Haben wir nun in den letzten Jahren unsere absolute Mehrheit missbraucht, politisch "einseitig" gehandelt oder gar die Demokratie ausgehebelt?
Letztendlich können Sie das nur selbst beantworten. Als kleine Hilfestellung für Ihre Entscheidung finden Sie nachfolgend eine Auflistung unserer Erfolge der letzten Jahre.
Tim Strebe
IG Metall Betriebsrat
Mitglied der Vertrauenskörperleitung
Tel: 7 52 21
*www.wikipedia.de: Definition "Einheitsgewerkschaft", Abruf 18.02.2014
Letzte Änderung: 06.03.2014