BETRIEBSRÄTIN IN BERLIN - EINE VON UNS
Susanne Hensel, 52, arbeitet seit 23 Jahren bei Daimler. Nach ihrer Ausbildung zur Industriekauffrau ist sie in die USA ausgewandert und hat dort zuerst in einer deutschen Bäckerei in New York gearbeitet. Nach ihrem Umzug nach Chicago hat sie vier Jahre in einem Telekommunikationsunternehmen als Teamleiter in einem Call Center gearbeitet.
Von 1991 bis 2003 war sie bei Daimler Financial Services in Chicago hauptsächlich im Kreditbereich tätig. 2003 erfolgte die Abberufung nach Berlin in das globale Risikomanagement der Daimler Financial Services. Aufgrund des Umzuges der Hauptverwaltung nach Stuttgart, ist Susanne Hensel sei 2011 Kredit Analystin im Mercedes-Benz Bank Service Center in Berlin am Alexanderplatz.
Das Mercedes-Benz Bank Service Center wurde 2011 eröffnet, dort arbeiten nun rund 700 Menschen in der Fahrzeugfinanzierung für die Daimler AG. Es handelt sich um eine sehr junge Belegschaft, die auch international mit Kollegen
aus Italien, Spanien, und bald auch aus Frankreich, geprägt ist. Es gibt zwei Vertrauensleute und noch keinen eigenständigen Betriebsrat. Momentan werden die Kolleginnen und Kollegen durch den Gemeinschaftsbetriebsrat der
Daimler Financial Services in Stuttgart vertreten.
Susanne war von 2006 bis 2011 Mitglied des Betriebsrates, musste aber aufgrund ihres Wechsels in das Service Center ihr Mandat niederlegen.
2010 fand bei der Daimler Financial Services eine sehr weitreichende Umstrukturierung statt, durch die über 1.000 Kolleginnen und Kollegen von Umzügen quer durch die Republik betroffen waren. Susanne war Mitglied der Verhandlungskommission, die mit dem Arbeitgeber einen Interessenausgleich/ Sozialplan verhandelte und auch ein Gegenkonzept zur Umstrukturierung ausarbeitete. Zwar konnte die Umstrukturierung nicht abgewendet werden, es wurde aber eine Beschäftigungssicherung bis 2017 für die Kollegen erreicht, die nicht umziehen konnten. Kollegen, die beispielsweise von Berlin nach Stuttgart umgezogen sind, haben eine Beschäftigungssicherung bis 2019. Teile des Gegenkonzeptes des Betriebsrates wurden vom Arbeitgeber übernommen.
Zum Aufbau des Service Centers in Berlin konnte ein Tarifvertrag für die Kollegen, unter Streikandrohung, erstritten werden. Susanne war Mitglied der Tarifkommission. 2008 wurde Susanne als Arbeitnehmervertreterin in den Aufsichtsrat der Daimler Financial Services gewählt und hat in diesem Jahr ihre zweite Amtsperiode angetreten. Seit August 2013 ist Susanne federführend in der Vorbereitung der Betriebsratswahlen 2014, bei der ein eigener Betriebsrat für die rund 700 Kollegen gewählt wird.
Warum bist Du Betriebsrat geworden?
Susanne Hensel: Um meine langjährige Erfahrung mit den Menschen, Gegebenheiten und Prozessen im Unternehmen zum Wohl der Kolleginnen und Kollegen einzusetzen. Ich war während meiner Ausbildung als Jugendvertreterin tätig
und zu dieser Zeit auch schon gewerkschaftlich sehr aktiv. Ich habe in einem Stahlkonzern gelernt und dort schon sehr früh die Erfahrung gemacht, dass mit einer starken Interessenvertretung viel erreicht werden kann. In den USA habe
ich erlebt, unter welch schlechten Arbeits- und Sozialbedingungen Menschen leben müssen, wenn es keine etablierte Interessenvertretung gibt und wie uneffektiv es ist, wenn jeder für sich allein kämpft.
Gibt es ein Thema, das Dich besonders bewegt? Für das Du Dich besonders engagierst?
Susanne Hensel: Es gibt nicht "das eine Thema" für das ich mich zuständig fühle. Die gesamte Betriebsratsarbeit mit all ihren Facetten ist für mich wichtig. Aufgrund meiner Ausbildung und meiner Erfahrung im Betrieb bin ich natürlich eine Interessenvertreterin, die sich in wirtschaftlichen Themen des Unternehmens stark engagiert. Durch meinen familiären Hintergrund, ich habe sechs Kinder, liegen mir soziale Themen, wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, auch sehr am Herzen. Aktuell ist für mich der Aufbau eines kompetenten und starken Betriebsrats ein Thema, für das ich mich sehr stark engagiere.
Was gefällt Dir an der Betriebsratsarbeit am besten?
Susanne Hensel: Die unterschiedlichen Rollen, die ein Betriebsrat einnehmen muss. Dadurch, dass die Arbeit des Betriebsrats auch wirtschaftliche Fragen und Probleme des Unternehmens beninhaltet, kann man wohl sagen, dass Betriebsräte auch Manager sind, die oft sogar mehr Erfahrung haben als einzelne Vorstände und so die Zukunft eines Unternehmens aktiv mitgestalten können. Ein Betriebsrat ist auch Gegner. Kampf, Widerstand, rote Fahnen , das gehört auch zur Betriebsratsarbeit dazu. Aber ein Betriebsrat ist auch oft ein Helfer in der Not, ein Zuhörer für die Kollegen und jemand, der mit Rat und Tat zur Verfügung steht, wenn es mal brenzlig wird. Diese unterschiedlichen Aufgaben gefallen mir an der Betriebsratsarbeit besonders gut.
Was würdest Du gerne in Deinem Unternehmen ändern/ bewegen/ einführen?
Susanne Hensel: Diese Frage erübrigt sich aktuell. Für mich ist momentan der Aufbau eines eigenen Betriebsrats das wichtigste Thema, was mich fordert und ausreichend beschäftigt. Nach einer erfolgreichen Betriebsratswahl
würde ich in der Zukunft aus unserem Betrieb tatsächlich einen "Great Place to Work" für alle Mitarbeiter machen wollen.
Wie erlebst Du die IG Metall? Welche Unterstützung erfährst Du?
Susanne Hensel: Die IG Metall habe ich als einen sehr verlässlichen, kompetenten Partner in allen Aspekten der betrieblichen Arbeit kennengelernt. Angefangen bei der Unterstützung in der Ausarbeitung des Interessenausgleichs/
Sozialplans während der Umstrukturierung, über die Mobilisierung der Beschäftigten, um Widerstand gegen die Unternehmensleitung zu leisten, weiter über die Tarifverträge, die es ohne die IG Metall in den Service
Centern in Berlin und Saarbrücken nicht gegeben hätte, bis zu der aktuellen Unterstützung der Betriebsratswahl. Die IG Metall ist in den Daimler Werken stark verankert. Leider war das bei der Daimler Financial Services und
der Mercedes-Benz Bank nicht so. Im Rahmen der Umstrukturierungsauseinandersetzungen in unserem Unternehmen hat es die IG Metall geschafft, sich als anerkannter Unterstützer der Kolleginnen und Kollegen zu etablieren. Ich erlebe die
IG Metall tagtäglich in meiner Arbeit als eine große Hilfe, den Kampf für meine Kolleginnen und Kollegen weiterzuführen. Ich kann mich immer auf eine vertrauensvolle, zeitnahe und kreative Zusammenarbeit verlassen.
Letzte Änderung: 26.08.2019