Arbeit frisst leben auf - was tun?
- Externe und interne Experten diskutierten mit Beschäftigten über Work-Life-Balance
- Erich Klemm, Betriebsratsvorsitzender: "Haben Sie den Mut zu verlangen, dass Ihr Leben ausgeglichen ist!"
Sindelfingen. - Am Donnerstag, 07.03.2013 fand eine weitere gelungene Veranstaltung im Rahmen der Vortrags- und Dialogreihe "Herausforderung Zukunft" unter dem Titel "Arbeit frisst Leben auf - was tun? statt. Diese Veranstaltung und die folgenden sollen dem "Wandel im Dialog mit der Belegschaft" dienen.
Die Beschäftigten hatten dabei Gelegenheit gemeinsam mit internen und externen Experten aus Wissenschaft, Politik und Verbänden das Thema Work-Life-Balance zu debattieren. Ausgangspunkt der Debatte war das Forschungsprojekt "Ausgeglichen! Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben", das von der Abteilung Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Heidelberg im Auftrag und in Kooperation mit der Daimler AG durchgeführt wurde.
Prof. Dr. Karlheinz Sonntag Leiter des Forschungsprojekts stellte in seinem Vortrag den Strukturwandel in der Arbeitswelt dar. Er zeigte auf, dass sich bei neuen Arbeitsformen die Struktur der Arbeit zunehmend auflöst - verbunden mit neuen Belastungen, die aus einer räumlichen und zeitlichen "Entgrenzung" der Arbeit entstehen. Auch veranschaulichte er den enormen Betriebs- und volkswirtschaftlichen Schaden, welcher durch eine unausgeglichene Work-Life-Balance (WLB) entsteht. Er sprach dabei die Frage der Unternehmenskultur an: "Die Beschäftigten müssen das Gefühl haben, dass es in Ordnung ist, bei Krankheit zu Hause zu bleiben. Dies gilt auch für den Fall, wenn das Kind Krank ist und dann von zu Hause aus gearbeitet wird."
Für den Aspekt "Projekt Life-Balance bei Daimler" hatte der Betriebsrat Prof. Dr. Eckhard Kreßel, Leiter Arbeits- und Personalpolitik der Daimler AG, als Referent und Diskutant eingeladen. Er wies auf die vielen Projekte hin, welche bei Daimler laufen und auf den neuen und übersichtlichen Auftritt der WLB-Angebote des Unternehmens im Intranet. Er stellte die Verantwortung der Führungskräfte in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Diese haben für ihn besondere Verantwortung und Vorbildrolle. Dabei sei ihm bewusst, dass Unternehmensziele und eine ausgeglichene WLB in einem Spannungsverhältnis stehen. "Uns ist klar, dass wir uns am Anfang eines Weges befinden. Wir haben die Diskussion über eine Kulturveränderung im Unternehmen erst begonnen."
Christiane Benner legte den Fokus ihres Vortrags auf die Doppelbelastung aus Familie und Beruf, die immer noch in erster Linie auf den Schultern Frauen liege. Sie verwies auf die unterschiedlichen Lebensphasen, mit jeweils anderen Bedürfnissen und forderte passgenauere Lösungen für diese zu finden. "Es muss möglich sein, nicht nur einen Anspruch auf Teilzeit zu haben, sondern auch einen Anspruch darauf, die Teilzeit wieder verlassen zu können."
Erich Klemm begrüßte die Initiative des Unternehmens, das Thema Work-Life-Balance auf die betriebliche Agenda zu setzen und damit eine Kulturveränderung anzustoßen. Er verwies auf die vielen Vereinbarungen zur besseren Vereinbarung von Beruf und Privatleben, die der Betriebsrat in der Vergangenheit bereits initiert und durchgesetzt hat - angefangen von Teilzeit bis hin zum Mobilem Arbeiten. Doch könne der Betriebsrat nicht alleine konkrete Veränderungen bewirken. "Dazu braucht es eine selbstbewusste Belegschaft", so Klemm. Er würdigte, dass das Unternehmen "ernsthaft an das Thema rangeht." Das setze aber voraus, dass die Belegschaft auch aktiv verlange, dass ihr Leben ausgeglichen ist.
In der Diskussion verwiesen Teilnehmer darauf, dass die Probleme vor allem struktureller Natur seien. Die vielen Einsparprogramme hätten die Arbeitsbelastung enorm erhöht und ihre Spuren bei den Beschäftigten hinterlassen.
Es sei schwer, abends keine Emails mehr zu lesen, wenn davon abhängig ist, dass am nächsten Morgen die Arbeit richtig läuft. Auch seien viele Emails im Posteingang für manche Vorgesetzte noch Statussymbole.
Sowohl Erich Klemm, als auch Eckhard Kreßel betonten daraufhin, dass natürlich durch das Vorantreiben des Themas "Work-Life-Balance" nicht alle Probleme im Unternehmen gelöst würden.
Klar ist, der Betriebsrat wird das Thema weiter voran treiben und begleiten. In seinem Schlusswort sagte Erich Klemm: "Ich möchte ihnen allen den Mut wünschen und Sie ermutigen sich für Ihre Work-Life-Balance einzusetzen. Helfen sie mit, unsere Unternehmenskultur zu verbessern."
Letzte Änderung: 08.03.2013