Aufruf zur Kundgebung am 13.11.2010
Stuttgart 21 zeigt deutlich, die Menschen lassen sich nicht mehr alles gefallen. Dabei spielt das Thema für oder gegen Stuttgart 21 nach unserem Empfinden nur eine zweitrangige Rolle. Entscheidend ist die Vorgehensweise. Die Politik entscheidet immer öfter nach Lobbyinteressen, die Menschen bleiben außen vor, werden nicht eingebunden, nicht gefragt, sollen aber im Umkehrschluss alles mittragen. Auch der Beschluss Atomkraftwerke länger laufen zu lassen ist ein Schlag ins Gesicht von 70% der hier lebenden Menschen, die haben sich nämlich klar gegen längere Laufzeiten ausgesprochen. Der Beschluss, Atomkraft länger zu nutzen kam zustande, obwohl es auf dieser Welt keinen Menschen gibt, der die Betriebssicherheit und die gefahrlose Endlagerung gewährleisten kann - zumindest dann nicht, wenn er bei klarem Verstand ist. Hier geht es einzig und allein ums Geld, um Profite, um Aktionäre, mit einem Wort um die da oben.
Die selben Politiker haben auch beschlossen, das Sozialsystem in Deutschland an den Abgrund oder noch weiter zu fahren. Ob Rente, ob Gesundheit oder ob Pflege - alles steht zur Debatte, wird in Frage gestellt und soll zu guter letzt zu unseren Lasten und auf unsere Kosten gestrichen werden. Unter dem Motto "Kurswechsel für ein gutes Leben- Gerecht geht anders" treten wir IG Metaller in diesen Wochen an. Am Samstag, 13. November protestieren wir in Stuttgart gegen ungerechte Politik.
Wir wollen die Rente mit 67 noch verhindern. Wir wollen Leiharbeit vernünftig regulieren. Wir wollen die Gesundheitsreform in der jetzt geplanten Form unbedingt stoppen. Wir brauchen keine Gesundheitsreform, die Lasten ungleich auf die Versicherten verteilt. Wir brauchen eine Gesundheitsreform, die diesen Namen auch verdient, weil sie die Lasten erstens auf mehr und zweitens auf stärkere Schultern legt. Dafür steht das Modell der Bürgerversicherung als unser konkreter Gegenentwurf zu einer unsozialen Kopfpauschale und der Privatisierung von Gesundheitsleistungen durch Zusatzprämien.
Wir wollen keine Zwei-Klassen-Medizin. Die Bürgerversicherung würde die Einnahmeseite deutlich stärken, weil alle einzahlen. Gleichzeitig brauchen wir Kostensenkungen im Gesundheitswesen, um angespannte Sozialkassen zu entlasten. Wir brauchen weiter paritätisch finanzierte Kranken-, Pflege und Rentenversicherungen. Paritätisch heißt, dass Beschäftigte und Arbeitgeber jeweils den gleichen Beitrag zahlen.
Auch bei der Rente hat die IG Metall eine Alternative. Wir haben hierzu einen "Neuen Generationenvertrag" vorgeschlagen. Denn eines der Kernprobleme der Rentenversicherung ist ihre Unterfinanzierung. Erstens durch den Druck auf den Beitragssatz und zweitens durch massive zusätzliche Belastungen durch "systemwidrige" rentenfremde Leistungen. Die Rente mit 67 ist nicht sozial, denn mit ihr wurde das Risiko weiterer Altersarmut drastisch erhöht.
Unter uns, die Mehrzahl der Beschäftigten kann doch unter heutigen Arbeitsbedingungen gar nicht so lange arbeiten - ob an Bändern, in Fabrikhallen oder in Büros. Und weil viele Erwerbstätige diese Grenze nie erreichen werden, wirkt die Heraufsetzung des Rentenalters als massiver Rentenabschlag. Denn wer unter den neuen Bedingungen früher in Rente geht als mit 67 kann das, aber dadurch wird die monatliche Rente erheblich gekürzt.
Die Rente mit 67 ist ein sozialpolitischer Irrweg, der unbedingt korrigiert werden muss. Statt Rente mit 67 wollen wir flexible Altersübergänge. Wir wollen, dass Beschäftigte nach 40 Versicherungsjahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Wir wollen keine Armut in der an sich doch reichen Bundesrepublik. Sei es durch Niedriglöhne und wegen der Ausweitung prekärer Beschäftigung. 400-Euro-Jobs, Befristungen und Leiharbeit sichern trotz Arbeit in aller Regel kein ausreichendes Einkommen. Wir wollen sichere Jobs mit Einkommen, von denen Beschäftigte und Familien leben können.
Eine gerechte Gesellschaft erträgt dauerhaft keine gesellschaftliche Spaltung durch Armut und unsichere Arbeitsverhältnisse. Die Armen sind auf Gerechtigkeit angewiesen, die Reichen auf Ungerechtigkeit, sagt Bertolt Brecht. Nur Gerechtigkeit fällt nicht vom Himmel und ist nicht von Dauer, sie muss täglich neu erkämpft werden. Und dafür brauchen wir eine starke Gewerkschaft, eine starke IG Metall - nämlich Euch. Wir alle wollen gemeinsam im Herbst gegen eine ungerechte Politik protestieren. Die Banken mit Milliardenbeträgen stopfen und die Kosten dafür auf uns abhängige Beschäftigte abzuwälzen ist ungerecht - gerecht geht anders.
Deshalb: Nein zur ungerechten Kopfpauschale bei der Krankenversicherung. Nein zur ungerechten Rente mit 67. Nein zu unsicheren Arbeitsverhältnissen.
Ja zu einer gerechten Zukunft. Ja zu mehr Chancen für die Jugend. Ja zu besserer Bildung. Ja zu guter beruflicher Bildung und besonders Ausbildung mit anschließendem Festvertrag. Ja zu sicheren Jobs. Unsere Forderungen müssen wir gemeinsam am Samstag, 13. November, in Stuttgart der breiten Öffentlichkeit deutlich machen. Ich lade Euch deshalb schon heute alle zu dieser IG Metall-Kundgebung ein. Nur wenn wir alle gemeinsam für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen kämpfen werden wir etwas ändern.
Letzte Änderung: 24.10.2010