Wie soll es mit NAVI weitergehen?
Die Beschäftigten finden mehrheitlich den definierten NAVI-Führungsprozess gut, beklagen zum Teil aber die Qualität der Umsetzung. Schlechte Noten gab die Belegschaft NAVI in den Fächern Gerechtigkeit und Nachvollziehbarkeit. Auch Leistungsanreize und Orientierung bietet das System offenbar zu wenig. Der Betriebsrat meint: wir müssen angesichts dieser Ergebnisse über die Leistungsbeurteilung neu nachdenken.
Der Hintergrund
NAVI wurde 2007 lediglich zur Probe eingeführt. Bevor endgültig darüber entschieden wird, wie in der Daimler AG Leistung beurteilt wird, sollten die Beschäftigten nach drei NAVI-Runden erst zu ihren Erfahrungen befragt werden. So wurde es zwischen Gesamtbetriebsrat und Vorstand vereinbart und so wird es jetzt umgesetzt: Im Juni 2010 fand eine repräsentative Befragung zu NAVI statt. 6500 Beschäftigte haben sich beteiligt und damit für eine solide Datenbasis gesorgt. Seit Anfang September liegen die Ergebnisse vor. Betriebsrat und Unternehmen müssen jetzt entscheiden, welche Schlüsse daraus gezogen werden.
Die Ergebnisse
Einige Aspekte von NAVI werden von den Befragten sehr positiv bewertet. Dazu gehört beispielsweise die Feedback- und Kommunikationskultur, die durch die regelmäßigen NAVI-Gespräche entstanden ist. Die Beschäftigten erwarten, dass sie von ihrer Führungskraft eine Rückmeldung bekommen. Und die Mehrheit der Führungskräfte gibt ihnen diese Rückmeldung auch. Auch die Zielvereinbarungen werden zum größten Teil gut benotet. Mit dem Führungsprozess an sich kann NAVI also richtig punkten. Kritisch betrachtet werden allerdings der Umgang mit Karenzen und der Reklamationsprozess. Die von Karenz Betroffenen beklagen, dass ihre Führungskraft mit ihnen nicht ausreichend darüber gesprochen hat, wie sie ihr bisheriges Leistungsentgelt wieder erreichen können.
Andere Aspekte werden von den Beschäftigten sehr kritisch gesehen. Die Bewertung ihrer Leistung ist für die Beschäftigten nicht immer nachvollziehbar. Außerdem gibt NAVI dem einzelnen Beschäftigten offenbar nur wenig Unterstützung bei der Leistungserbringung.
Das größte Problem, das die Befragung aufdeckt, ist aber, dass NAVI als nicht gerecht empfunden wird.
Die nächsten Schritte und zentralen Fragen
Insgesamt ergibt sich aus der Befragung also kein einheitlich positives oder negatives Bild. Es muss daher jetzt eine sehr sorgfältige Analyse der durch die Befragung offengelegten Probleme mit NAVI und eine breite Debatte über die Konsequenzen erfolgen. Erst dann wird der Gesamtbetriebsrat in Verhandlungen mit dem Unternehmen über das künftige Leistungsbeurteilungssystem eintreten.
Reform von NAVI
Diskutiert werden muss jetzt darüber, wie eine mögliche Reform von NAVI aussehen könnte. Müssen z.B. die Begründungen für Karenzen nachvollziehbarer gemacht werden? Müssen die Maßnahmen, die zur Rücknahme einer Karenz führen, verbindlich dokumentiert werden? Wie kann der Konflikt aufgelöst werden, dass die Beschäftigten mit Erfahrung, diese weiterhin honoriert sehen wollen und gleichzeitig die jungen Kolleginnen und Kollegen auf die Belohnung ihrer besonderen Anstrengungen hoffen. Angesichts des nach Tarifvertrag auf 15 % der Entgeltsumme begrenzten - aber auch abgesicherten - Gesamtvolumens ist dies wohl eine der schwierigsten Fragen.
Neues (Denk-)Modell
Der Gesamtbetriebsrat hat auch bereits ein mögliches Modell für eine andere Verteilung des Leistungsentgelts angedacht: danach könnte ein Teil des Leistungsentgelts künftig genutzt werden, um die zunehmende Erfahrung
eines Beschäftigten im Laufe seiner Tätigkeit zu honorieren. Dies würde eine Regelentwicklung über die Jahre hinweg bedeuten. Dieser Teil des Leistungsentgelts wäre für den Beschäftigten abgesichert.
Der verbleibende Teil des Leistungsentgelts könnte dann der Belohnung besonderer Leistung dienen - zum Beispiel in Form einer jährlichen Einmalzahlung. Neben dem monatlichen Leistungsentgelt würde dann - bei entsprechender
Leistung - zusätzlich noch eine jährliche Einmalzahlung ausbezahlt werden. Diese kann von Jahr zu Jahr unterschiedlich hoch sein oder auch mal ausfallen. Das Thema "umgesetzte Karenz" und damit die Reduzierung des monatlichen
Entgelts aber hätte sich damit erledigt.
Ein solches (Denk-)Modell wirft natürlich viele neue Fragen auf. Wie hoch muss der fixe Anteil, wie hoch darf der variable Anteil in einem solchen Modell sein? Wie kann ein möglicher Übergang gestaltet werden?
Der Betriebsrat wird im Oktober mit den Beschäftigten über diese Fragen genauso diskutieren, wie über die Fragen, die sich bei einer möglichen Reform von NAVI stellen.
Letzte Änderung: 18.10.2010